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VR in der Schule

Simon Maria Hassemer, Josef-Durler-Schule Rastatt

Als Morpheus dem jungen Hacker anbot, die blaue oder die rote Pille zu nehmen, musste sich Neo für eine Realität entscheiden: Die reale Welt oder die virtuelle Scheinwelt der Matrix. An der Josef-Durler-Schule kann man seit kurzem den Luxus genießen, zwischen beiden Welten, zwischen roter und blauer Pille frei hin und her zu wechseln: In unserem neuen VR-Labor. VR steht für virtuelle Realität. Aber was ist das? Was kann das? Wer braucht das?

Bei VR trägt die Person eine sichtdeckende Brille und in jeder Hand einen Controller, mit dem sich die virtuelle Welt beeinflussen lässt. Das bedeutet, man kann dort hinsehen, wo man möchte und steckt mittendrin im Geschehen. Außerdem kann man über die Controller mit Gegenständen dieser virtuellen Welt interagieren - je nachdem, wie viel das Software-Programm zulässt. Beispielsweise kann man den Mars, also eine computergenerierte Simulation des Mars, besuchen, auf der Oberfläche herumlaufen und die Marssiedlung der Zukunft auch von der Erde aus bestaunen. Damit ließe sich der Aufenthalt auf dem Mars generell simulieren, so zum Beispiel die Aufgaben eines Marsianers, der ein Problem lösen muss. Aufgaben für eine nicht allzu ferne Zukunft, die bereits heute trainiert werden kann - und das an der JDS im Penthouse.

Ursprünglich kommt VR aus der Gaming-Industrie und so verwundert es nicht, dass in diesem Sektor die fortschrittlichsten Produkte entstanden sind. Auf ein deutlich geringeres Budget können solche Software-Schmieden zurückgreifen, die VR-Programme für den Bildungsbereich anbieten. Dabei sind die Möglichkeiten enorm: Man könnte beispielsweise Molekülketten zu neuartigen und nachhaltigen Polymeren zusammenbauen und die Eigenschaften des simulierten Kunststoffs gleich testen, man könnte in ein simuliertes antikes Rom reisen und dort mit der Latein sprechenden Bevölkerung interagieren, man könnte dreidimensionale Funktionsgleichungen tatsächlich in 3D sehen und modifizieren, man könnte die neuronale Struktur eines Gehirns untersuchen und zuschauen, was beim Lernen in einem menschlichen Gehirn passiert.

Genau das ist die Aufgabe des VR-Labors an der Josef-Durler-Schule, nämlich herausfinden, welche bereits existierenden Applikationen für das Lernen, für den Bildungsbereich, für die Schule sinnvoll sind, die das Verständnis komplizierter Sachverhalte durch dreidimensionale Visualisierung, Immersion und Interaktivität mit der Simulation erleichtern. Den Auftrag erteilte das Kultusministerium Stuttgart zunächst dem Landesinstitut für Schulentwicklung. Da Herr Dr. Hassemer und die Josef-Durler-Studios bereits in diesem Bereich gearbeitet hatten - siehe dazu das Video „JDVR“ auf unserem YouTube-Kanal - kam der Auftrag an die JDSR. Denn dass die VR- Technologie Potentiale für das Verständnis und das Lernen bietet, die mit herkömmlichen Mitteln nicht zu erreichen sind, haben die JDStudios schon früh erkannt, als sie im Januar 2018 einen Ausflug in den VR Playspace Karlsruhe machten.

Was sich mit Blick auf die bisherige Forschung und die Praxis zu VR in der Bildung sagen lässt, ist, dass VR insbesondere dann sinnvoll ist, wenn...

  • eine vollständige Fokussierung ohne externe Ablenkung nötig ist. Der User taucht in die virtuelle Welt ein und konzentriert sich voll auf die dort stattfindenden Szenarien (nicht so bei MR, bei der ja gerade die Interaktion mit der realen Welt stattfinden soll), wodurch ein immersives Gefühl erzeugt werden soll. Der User wird zum Augenzeugen des Gezeigten und interagiert mit diesem.
  • eine individuelle Steuerung gewünscht wird, da der User sein Sichtfeld bzw. seine Umgebung selbst kontrolliert. Dieser Punkt ist von zentraler Bedeutung für eine schüleraktivierende Didaktik mit Hilfe von Medien und die individuelle Förderung.

 

Mit Blick auf die Anwendungsbereiche lässt sich feststellen, dass VR insbesondere dann sinnvoll ist, wenn der jeweilige Lerninhalt...

  • unzugänglich (z. B. der molekulare Mikrokosmos, das Weltall, das Innere eines Motors/einer Industrieanlage, eine antike Stadt, eine mögliche Zukunft), nur schwer begehbar (z. B. eine Unterwasserhöhle, ein Flugzeugtank),
  • nur schwer erreichbar (z. B. ein entferntes Reiseziel auf einem anderen Kontinent, ein Offshore- Windpark, die Internationale Raumstation),
  • mit einem erhöhten, nicht zumutbaren Sicherheitsrisiko verbunden (z. B. Experimente mit brennbaren oder radioaktiven Materialien, Anwendungen in Medizin und Pflege, Begehung einer Brückenbaustelle),
  • oder allgemein mit schulischen Mitteln nur selten zu realisieren ist (z. B. Besuch im CERN, Reisen ins Ausland, etwa ein Besuch im Weißen Haus oder einer Textilfabrik in Fernost).

 

Mit Blick auf die Kompetenzförderung lässt sich sagen, dass VR insbesondere dann sinnvoll ist, wenn die zu fördernden Kompetenzen...

  • nicht mit den an einer Schule üblicherweise vorhandenen Möglichkeiten trainiert werden können,
  • in der späteren beruflichen Realität erfolgreich zur Anwendung gebracht werden können. VR bietet hier einen sicheren Raum, in dem Handlungsabläufe selbstverantwortlich trainiert und internalisiert werden und reale (sicherheitstechnische, gesundheitliche, finanzielle etc.) Risiken minimiert werden können,
  • nur und/oder besser mit Hilfe einer Simulation geschult werden können.

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