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VR im Unterricht
Tilo Bödigheimer, Hardbergschule Mosbach
Es ist ein ganz besonderes Erlebnis, wenn man sich zum ersten Mal eine VR-Brille aufsetzt und in eine andere Welt eintauchen kann. Die Umwelt tritt in den Hintergrund; an ihrer Stelle tritt eine neue, virtuelle Realität. Voller Spannung und Begeisterung verbrachte ich die ersten Stunden in dieser virtuellen Realität, besuchte ferne Orte oder unternahm Reisen in das Innere des menschlichen Körpers.
Diese anfängliche Spannung und Begeisterung spürten und erlebten auch die Schülerinnen und Schüler an meiner Schule, als ich zum ersten Mal VR-Brillen im Unterricht einsetzte. Aber was kommt danach? Gibt es über diese anfängliche Begeisterung hinaus pädagogisch sinnvolle Einsatzszenarien von VR-Brillen in der Schule?
Dieser Frage möchte ich als Mitglied der Expertengruppe 3D-erleben für den Bereich "VR / 360°" nachgehen. Als Lehrkraft an einem Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrum (SBBZ) wird sich mein Einsatz dieser neuen Techniken vor allem auf den Unterricht an einem SBBZ beziehen. Die Schülerinnen und Schüler meiner Schule besitzen einen festgestellten sonderpädagogischen Bildungsanspruch im Bereich Lernen und werden nach dem Bildungsplan der Förderschule unterrichtet.
Als Schwerpunkte meiner Erprobung der VR/360°-Technik werde ich vier Bereiche in besonderem Maße betrachten:
1. Einsetzbarkeit unterschiedlicher Systeme
Als ersten Schritt werde ich die aktuell gängigen VR-Systeme auf dem Mark sichten und hinsichtlich ihrer Einsetzbarkeit im Unterricht bewerten. Der Fokus liegt dabei zum einen auf dem Cardboard-System von Google, bei dem günstige VR-Brillen mit den Smartphones der Lernenden bestückt werden. Zum anderen werde ich die seit diesem Jahr erhältlichen Standalone-Systeme von Oculus, Google Daydream (hier mit der Lenovo Mirage Solo) und HTC Vive Focus testen.
Neben der Passform und der Handhabbarkeit der Brille für die Schülerinnen und Schüler soll dabei auch die Bedienung der Software (Inbetriebnahme, Installation von Apps, Verfügbarkeit von Apps, ...) bewertet werden.
Des Weiteren werde ich neben den VR-Brillen unterschiedliche 360° Kameras in Bezug auf ihre Qualität und Eignung für den Einsatz in der Schule testen und bewerten.
2. Motivation
Die Motivation ist meiner Meinung nach mit einer der entscheidenden Faktoren wenn es um gelingende Bildung und um erfolgreiches Lernen geht. Sind meine Schülerinnen und Schüler motiviert und haben sie Lust auf den Unterricht und das Thema, dann tauchen viele der leider immer häufiger auftretenden Probleme beim schulischen Lernen nicht mehr oder in deutlich geringerem Maße auf. Meiner Erfahrung nach verringern sich die Fehlzeiten, die Unterrichtsstörungen gehen zurück und die Lernenden sind in größerem Maße dazu bereit, Anstrengungen im Unterricht auf sich zu nehmen, um die gesetzten Ziele zu erreichen. Inwieweit kann der Einsatz von VR-Brillen die Motivation über die oben beschriebene anfängliche Begeisterung hinaus dauerhaft erhöhen? Wird auch beim dritten, vierten und fünften Einsatz der VR-Brillen im Unterricht noch eine gesteigerte Motivation feststellbar sein?
3. Orte differenziert erfahrbar machen
Der dritte Schwerpunkt meiner Erprobung zielt darauf, Orte erfahrbar zu machen, die auf Grund der Entfernung oder anderer Hindernisse im Schulalltag nicht besucht werden können. So sollen zum Beispiel historisch bedeutsame Orte des ehemaligen Konzentrationslagers Neckarelz für unsere Schülerinnen und Schüler zugänglich gemacht werden, die der Öffentlichkeit normalerweise verschlossen bleiben. Neben den Räumlichkeiten des damaligen KZs, ist geplant, auch die Bergwerksstollen durch die VR-Brillen erfahrbar zu machen, die die KZ-Häftlinge früher für den Flugzeugmotorenbau in den Hang treiben mussten.
Als Differenzierungsmöglichkeit können weiterführende Informationen innerhalb der VR-Tour auf unterschiedlichen Niveaus und in unterschiedlichen Darbietungsformen angeboten werden, so dass die Lehrkräfte und ggf. die Lernenden selbst eine inhaltliche Differenzierung je nach Leistungsniveau beim Betrachten der VR-Tour vornehmen können.
In technischer Hinsicht werden hierbei auch verschiedene VR-Authoring-Systeme getestet und bewertet. Dabei geht es neben der Verfügbarkeit auf den unterschiedlichen VR-Brillen auch um die Handhabbarkeit dieser Authoring-Systeme für Lehrkräfte und auch für Schülerinnen und Schüler, die damit eigene VR-Touren erstellen sollen.
4. Erstellung von eigenen VR-Inhalten
Der letzte Schwerpunkt meiner Erprobung wird die Erstellung eigener VR-Inhalte durch die Schülerinnen und Schüler selbst sein. Zunächst steht dabei der Erwerb der notwendigen Kenntnisse zur Erstellung eigener VR Inhalte mittels 360° Kameras und VR-Authoring Software im Vordergrund. Um selbst VR-Touren erstellen zu können, müssen sich die Lernenden darüber hinaus intensiv mit der Thematik der zu erstellenden VR-Tour auseinandersetzen, die Inhalte recherchieren, die Fotoaufnahmen vornehmen und in einem letzten Schritt alle Inhalte als interaktive Tour zusammenstellen.
Ganz bewusst werde ich bei meiner Erprobung auf spezielle Lern-Apps für die VR-Brillen verzichten, da es aktuell nur wenige wirklich brauchbare Apps für den Bildungsbereich gibt. Die meisten verfügbaren Apps sind darüber hinaus auf Grund der englischen Sprachführung oder der Komplexität der Inhalte für den Einsatzzweck an einem SBBZ-Lernen ungeeignet.