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Gewinn für den Unterricht
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Dr. Simon Hassemer, Josef-Durler-Schule Rastatt
Für das Vorhaben an unseren Schulen müssen wir erproben können, in welchen Bereichen VR für den Unterrichtsgebrauch sinnvoll ist. Im Bezug auf den vieldiskutierten „Mehrwert“1 ist das Diktum von Axel Krommer zum Einsatz bisher unbekannter Medien zu beachten, denn manche Zieldimensionen können vor Erprobung der Technologie in Schulversuchen noch gar nicht vorhergesehen werden.2
Was sich mit Blick auf die bisherige Forschung und die Praxis zu VR in der Bildung sagen lässt, ist, dass VR insbesondere dann
sinnvoll ist, wenn:
- eine vollständige Fokussierung ohne externe Ablenkung nötig ist. Der User taucht in die virtuelle Welt ein und konzentriert sich voll auf die dort stattfindenden Szenarien (nicht so bei MR, bei der ja gerade die Interaktion mit der realen Welt stattfinden soll).
- ein immersives Gefühl erzeugt werden soll. Der User wird zum Augenzeugen des Gezeigten und interagiert mit diesem
- eine individuelle Steuerung gewünscht wird, da der User sein Sichtfeld bzw. seine Umgebung selbst kontrolliert. Diese Möglichkeit ist von zentraler Bedeutung für eine schüleraktivierende Didaktik mit Hilfe von Medien und die individuelle Förderung.
Mit Blick auf die Anwendungsbereiche lässt sich feststellen, dass VR insbesondere dann sinnvoll ist, wenn der jeweilige Lerninhalt
- unzugänglich (z. B. der molekulare Mikrokosmos, das Weltall, das Innere eines Motors/einer Industrieanlage, eine antike Stadt, eine mögliche Zukunft)
- nur schwer begehbar (z. B. eine Unterwasserhöhle, ein Flugzeugtank,
- nur schwer erreichbar (z. B. ein entferntes Reiseziel auf einem anderen Kontinent, ein Offshore-Windpark, die Internationale Raumstation),
- mit einem erhöhten, nicht zumutbaren Sicherheitsrisiko verbunden (z. B. Experimente mit brennbaren oder radioaktiven Materialien, Anwendungen in Medizin und Pflege, Begehung einer Brückenbaustelle),
- oder allgemein mit schulischen Mitteln nur selten zu realisieren ist (z. B. Besuch im CERN, Reisen ins Ausland, etwa ein Besuch im Weißen Haus oder einer Textilfabrik in Fernost).
Mit Blick auf die Kompetenzförderung lässt sich sagen, dass VR insbesondere dann sinnvoll ist, wenn auch die künftig zu fördernden Kompetenzen
- nicht mit den an einer Schule üblicherweise vorhandenen Möglichkeiten trainiert werden können,
- in der späteren beruflichen Realität erfolgreich zur Anwendung gebracht werden können. VR bietet hier einen sicheren Raum, in dem Handlungsabläufe selbstverantwortlich trainiert und internalisiert werden und reale (sicherheitstechnische, gesundheitliche, finanzielle etc.) Risiken minimiert werden können,
- nur und/oder besser mit Hilfe einer Simulation geschult werden können.
Die VR-Technologie ermöglicht für Lerninhalte und Kompetenzen eine Anwendungsbezogenheit, die mit herkömmlichen Lehrmitteln nicht zu realisieren ist: Theoretische Inhalte können anschaulicher vermittelt, praktische Erprobungsverfahren für diese simuliert werden, wodurch der Lerninhalt ganzheitlicher und damit intensiver und nachhaltiger gefestigt wird. Für die Schulung von Handlungskompetenzen können gerade für den beruflichen Bereich virtuelle Szenarien entworfen werden, die sich in einer Lehrwerkstatt nicht darstellen lassen, aber auf die berufliche Realität gut vorbereiten. Außerdem bietet VR die Möglichkeit, Wissensanwendung und Kreativität in Simulationen anzuwenden, in denen konkrete Problemlösungsstrategien erforderlich sind. Somit kann VR nicht nur zum besseren Verstehen, sondern auch zur Verbesserung von Kompetenzen genutzt werden. Diese Überlegungen sind nicht nur reflektierte Prognosen. Sie werden auch durch die Ergebnisse einer vielbeachteten Pekinger Studie aus dem Jahre 2016 gestützt.3 Diese kommt zu dem Ergebnis, dass Schülerinnen und Schüler, die dieselben Unterrichtsinhalte mit VR-Technologie lernten wie eine Kontrollgruppe in traditionellen Unterrichtsszenarien, höher motiviert waren, nachhaltiger und individueller auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten lernten4 sowie in Leistungsmessungen bessere Ergebnisse erzielten.
1 Wider den Mehrwert! Oder: Argumente gegen einen überflüssigen Begriff, in:
Bildung unter Bedingungen der Digitalität. Argumente – Gedanken – Notizen, Blogeintrag vom 05.09.2018. Online-Ressource:
https://axelkrommer.com/2018/09/05/wider-den-mehrwert-oder-argumente-gegen-einen-ueberfluessigen-begriff/
(17.01.19).
2 Axel Krommer: Welchen Mehrwert haben digitale Medien für das schulische Lernen? Nürnberg 2015. Online-Ressource: https://axelkrommer.com/2015/08/04/welchen-mehrwert-haben-digitale-medien-fuer-das-schulische-lernen/ (10.02.2018).
3 A Case Study - The Impact of VR on Academic Performance. Beijing Bluefocus E-Commerce Co., Ltd. & Beijing iBokan Wisdom Mobile Internet Technology Training Institutions, Peking 2016. Online-Ressource: https://cdn.uploadvr.com/wp-content/uploads/2016/11/A-Case-Study-The-Impact-of-VR-on-Academic-Performance_20161125.pdf (10.02.2018).
4 Ebd., S. 19.